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Statement Dr. Andrea Gotzmann, Vorstandsvorsitzende der NADA

24.11.2013

In verschiedenen Interviews und Berichten der vergangenen Tage und Wochen wurden einige Fakten der Anti-Doping-Arbeit in Deutschland nicht richtig dargestellt. Derzeit stehen Aussagen im Raum, die teilweise wissenschaftlich nicht fundiert sind oder ganz einfach falsch sind. Ich halte es für notwendig, hier einige Dinge richtig zu stellen.

Es stellt sich die Frage, ob erfolgreiche Anti-Doping-Arbeit durch die Anzahl "positiver" Proben messbar wird? Für mich ist diese Reduzierung auf lediglich einen Bereich der Anti-Doping Arbeit Augenwischerei. Denn, so möchte ich zurückfragen, wo fängt denn dann das "erfolgreiche" System an - bei 5%, bei 10%, oder doch vielleicht 20% positiver Proben?

Wenn Vergleiche angestellt werden, dann sollten sie auch richtig durchgeführt werden. Ein Vergleich ist mit Sicherheit dann unzulässig, wenn positive Fälle aller Trainings- und Wettkampfkontrollen einer Nation/Organisation mit den positiven Fällen der NADA, ausschließlich aus den Trainingskontrollen, angestellt wird. So geschehen unter anderem in einem Vergleich zwischen der NADA und der amerikanischen Partnerorganisation USADA. Die NADA arbeitet sehr eng mit den Kollegen in den USA zusammen, deren Arbeit wir sehr hoch schätzen. Diese enge Zusammenarbeit kam nicht zuletzt bei der Aufklärung des Falles um den Radsportler Klier zum Tragen. Die USADA führt jährlich insgesamt rund 8.000 Trainings- und Wettkampfkontrollen durch. Die NADA führt alleine etwa 8.000 Trainingskontrollen durch. Ein solcher Vergleich ist unlauter. Vergleichbar sind nur die Zahlen aller Kontrollen in Deutschland mit den Zahlen aller Kontrollen anderer Nationen. In Wettkampfkontrollen wird gemäß Reglement auf mehr Substanzen getestet im Vergleich zu den Trainingskontrollen (Stimulanzien, Glukokortikosteroide, Cannabinoide, Narkotika). Bei vielen dieser Substanzen handelt es sich um so genannte "spezifische Substanzen", die einen weniger schwerwiegenden Verstoß gegen die Anti-Doping-Regeln darstellen, als z.B. der Nachweis von anabol-androgenen Steroiden, Epo oder Wachstumshormon. Zudem ist die NADA bisher noch nicht für alle Wettkampfkontrollen in Deutschland verantwortlich. Derzeit werden rund 5.000 Wettkampfkontrollen in Deutschland durchgeführt, davon organisiert die NADA aber erst rund 1.000. Es ist ein wichtiges Ziel der NADA, ein einheitliches System von Trainings- und Wettkampfkontrollen in Deutschland zu etablieren, um auch hier Synergien nutzen zu können.

Ein Vergleich ist auch dann unzulässig, wenn 30% positive Fälle flämischer Bodybuilder mit der Zahl der positiven Proben in Deutschland verglichen werden. Zudem müssen auch Medizinische Ausnahmegenehmigungen beachtet werden. In manchen Ländern fließen diese als Fall in der Statistik ein. In Deutschland werden diese Fälle, bei Vorliegen einer ordnungsgemäßen TUE, nicht als Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen aufgenommen.

Gute Anti-Doping-Arbeit kann deshalb nicht nur an der Zahl der positiven Fälle gemessen werden, sondern muss auch andere Faktoren berücksichtigen, wie die gute Umsetzung des Kontroll-Systems mit unangekündigten, intelligent geplanten Kontrollen zu jeder Zeit, die der Abschreckung und damit der Prävention dienen, die Etablierung einer Task Force mit Nachforschungs-Möglichkeiten außerhalb der Kontrollen, aber auch die Nutzung neuester Analyseverfahren. Dieser Punkt hat erst jüngst in Deutschland für Aufsehen gesorgt. Die NADA nutzte das verfeinerte Analyseverfahren für Stanozolol und Dehydrochlormethyltestosteron (auch bekannt unter dem Handelsnamen Oral-Turinabol®), mit dem die deutschen Labore zahlreiche positive Proben ausländischer Sportler entdeckt hatten, für bislang 3.500 Nachkontrollen. Die NADA-Proben der deutschen Sportler waren alle negativ. Das Einfrieren von Proben und die retrospektive Analyse mit neuen Nachweisverfahren gehört zu einem guten Kontrollsystem und ist Teil der täglichen NADA-Arbeit - bei anderen Organisationen wird dies überhaupt nicht durchgeführt. So verfährt die NADA auch bei der körpereigenen Substanz AICAR, dieser Nachweis wird routinemäßig bei allen Proben deutscher Athleten erfasst. Enthalten die Proben auffällig hohe Werte an AICAR, werden diese selbstverständlich eingefroren, um sie später mit einem akkreditierten Verfahren re-analysieren zu können.

Zudem muss im Zusammenhang mit dem Nachweisverfahren für Wachstumshormon richtig gestellt werden, dass es bereits Tests gibt: neben dem ISO-Formen-Test auch den sogenannten Markertest mit anderen Nachweiszeiten. Die NADA initiiert gerade auf diesem Gebiet wieder ein umfangreiches Projekt der Re-Analyse langzeitgelagerter Proben.

Die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Analyseverfahren und ihre Durchführung ist extrem hoch, wird in regelmäßigen Abständen von der WADA überprüft und durch die Etablierung eines Qualitätsmangementsystems (ISO17025) von neutraler Seite bescheinigt. Das System der A- und B-Probe sowie die Anwendung verschiedener Analysemethoden tragen zur Sicherheit der Analysenergebnisse bei. Medizinische (Fertig-)Tests finden keine routinemäßige Anwendung in der Dopinganalytik. Die Sicherheit der Analysenergebnisse ist oberstes Ziel und Gegenstand der täglichen Arbeit der WADA akkreditierten Laboratorien. Eine Unterscheidung der Sicherheit der Nachweisverfahren von Xenobiotika und Substanzen, die auch endogen produziert werden, wurden bei der Diskussion der letzten Zeit völlig ausgeblendet.

Auch die zuletzt öffentlich genannte Summe für Forschungsgelder ist nicht richtig. Die erwähnte Summe von sieben Millionen Dollar betrifft nur das Budget, das die WADA jährlich für Forschung im Bereich der Dopinganalytik zur Verfügung stellt. Es stehen aber noch zahlreiche weitere Mittel zur Verfügung, wie beispielsweise in Deutschland, wo der Bund jährlich rund 2 Millionen Euro in Forschungsprojekte in Deutschland investiert. Forschungsgelder der Universitäten, Drittmittelprojekte, ein Lehrstuhl für präventive Dopingforschung, die europäische Beobachtungsstelle für neue Dopingsubstanzen und die kürzlich initiierte Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie deuten schon bereits auf weitaus höhere Summen hin, die für die Forschung im Bereich Dopinganalytik zur Verfügung stehen. Jedes der weltweit 32 WADA akkreditieren Laboratorien ist zudem verpflichtet, 7% des Jahresbudgets in Forschungsvorhaben zu investieren. Aber ein Blick in die einschlägige Fachliteratur lässt Experten erkennen, wie umfangreich und zielorientiert hier geforscht wird.

Zu den Spekulationen über eine mögliche Dunkelziffer von dopenden Sportlern ist zu sagen, dass viele unterschiedliche Prozentzahlen genannt werden, die sich zwischen 6% und 60% und höher bewegen. Leider findet auch hier ein Jonglieren mit Zahlen in einer wissenschaftlich völlig unakzeptablen Bandbreite, pauschal über alle Athleten, Sportarten und Nationen hinweg, statt. Für die Anti-Doping-Arbeit wäre wichtig, dass ausschließlich seriöse Zahlen aus Forschungsprojekten für Rückschlüsse genutzt werden. Zum anderen müssten die Sportler zwingend differenzierter gefragt werden als ganz generell und allgemein nach "Dopingmitteln". Das würde auch der Arbeit der NADA helfen. Es wurde bei solchen Erhebungen noch nie beachtet, dass es einen Unterschied gibt zwischen Substanzen, die nur im Wettkampf, und Substanzen, die jederzeit verboten sind - zum Beispiel ist Ephedrin (spezifische Substanz) außerhalb der Wettkämpfe erlaubt, also nur während der Wettkampfphase verboten, nur dann ist es auch eine Dopingsubstanz. Auch Medizinische Ausnahmegenehmigungen werden oftmals nicht berücksichtigt, die Athleten berechtigen, bei bestimmten Krankheitsbildern (verbotene) Substanzen zu nehmen, die grundsätzlich dem Dopingreglement unterfallen.

Zu einer guten Anti-Doping-Arbeit gehört neben einem guten Kontrollsystem und der Bestrafung von Betrügern aber vor allem die Aufklärungsarbeit. Diese wird in vielen Fällen ausgeblendet, ist aber aus Sicht der NADA essenziell für einen sauberen Sport der Zukunft. Sie stellt daher eine wichtige Säule der Anti-Doping-Arbeit der NADA dar. Gerade im Bereich der Prävention sind in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt worden. Die heutige Sportlergeneration ist aufgeklärt und weiß Bescheid über die Folgen und Konsequenzen von Doping. Die Information und kritische Diskussion beschränkt sich nicht nur auf die Athleten, sondern erfasst auch das ganze Umfeld mit Trainern, Eltern und Funktionären.

Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass Zahlen und Quoten kritisch hinterfragt werden und nicht vorschnell, unreflektiert kommentiert oder miteinander verglichen werden. Noch wichtiger ist mir aber unser Anliegen, alle Kräfte zu bündeln, um dem gemeinsamen Ziel - dem sauberen Sport - näher zu kommen. Um die Anti-Doping-Arbeit voranzubringen und mögliche Verbesserungsvorschläge aufzunehmen, ist der Dialog unerlässlich. Das haben viele nicht korrekte oder halbwahre Äußerungen der vergangenen Tage und Wochen gezeigt. Die NADA steht als Ansprechpartner dafür jederzeit bereit. Wir würden uns freuen, wenn der direkte Kontakt zu den Experten, die sich Tag für Tag mit der Anti-Doping-Arbeit beschäftigen, gesucht wird.

Bonn, 24. November 2013