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71 Journalisten beim NADA-Workshop

16.12.2010

Es ist ein schöner Traum, aber einen Sport ohne Doping wird es wohl nie geben. Die Einschätzungen zur Wirksamkeit von Kontrollsystem und Präventionsmaßnahmen schwankten in einer lebhaften Abschlussdiskussion des NADA-Journalisten-Workshops zwischen Optimismus und Skepsis. Dank der Kooperation mit dem Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS) waren rund 71 Vertreter aller Mediengattungen ins Bonner Wissenschaftszentrum gekommen.

Foto: Rolf Kosecki„Ich befürchte, dass trotz aller Verdienste der NADA auch im kommenden Jahrzehnt allzu viele Sportler nicht zur Vernunft kommen werden. Dazu geht es im Spitzensport um zu hohe Gelder“, erklärte VDS-Vizepräsident Christoph Fischer seine Bedenken hinsichtlich der Diskussionsthese: „Sportler-Generation 2020 – alles sauber oder was?“ Ähnlich kritisch äußerte sich Ralf Paniczek, Anti-Doping-Experte des ZDF: „Der Sport ist zwar sauberer als vor zehn Jahren. Aber ich sehe Tendenzen für eine Phase mit neuen Gefahren.“ Damit spielte Paniczek nicht nur auf die Entwicklung immer neuer Dopingsubstanzen und den weiteren Anstieg materieller Anreize im Spitzensport an, sondern meinte nicht zuletzt die Haltung vieler internationaler Verbände: „Bei den großen Ereignissen hat man nicht das Gefühl, dass es um sauberen Sport geht, sondern um eine Heldenverehrung ohne Dopingfälle und Skandale.“

Umso wichtiger sieht die NADA ihre Rolle in diesen Interessenkonflikten. „Der Anti-Doping-Kampf wird auch 2020 geführt werden müssen, aber auf einem neuen Niveau“, sagte der NADA-Vorstandsvorsitzende Armin Baumert und forderte: „Dazu benötigen wir weiterhin das klare Bekenntnis der Politik und des Sports.“ Die kommissarische NADA-Geschäftsführerin Anja Berninger äußerte sich optimistisch: „2020 wird der Sport zwar nicht sauber sein, aber sauberer.“ Ein Mittel auf dem Weg dorthin ist die wachsende Bedeutung des indirekten Nachweises. Dessen Notwendigkeit bei der Entwicklung eines noch effektiveren Anti-Doping-Kampfes hatte Anja Berninger zuvor schon in ihrem Vortrag herausgearbeitet. „Entscheidend ist es, Rechtssicherheit für die indirekten Nachweismethoden zu entwickeln. Die Blutpass-Richtlinien der WADA sind hierzu ein erster wichtiger Schritt“, sagte Berninger.

Als Beispiel nannte Berninger den österreichischen Radsportler Bernhard Kohl, der nach seiner positiven Probe im Jahr 2008 erklärte, er habe schon bei etwa der Hälfte seiner 200 Dopingkontrollen positiv getestet werden müssen. Anhand dieses Falls sei gut erkennbar, dass der indirekte Dopingnachweis Abhilfe schaffen könne, weil dabei unter anderem Spuren, die der Gebrauch verbotener Substanzen oder Methoden hinterlasse, einbezogen werden. Die revidierte Fassung des Welt Anti-Doping-Codes (WADC) und seines nationalen Ablegers NADC zählt neuerdings die möglichen Beweismittel auf: Zeugenaussagen, Belege, Beobachtung von Athleten-Profilen und sonstige Dokumente.

Erste Erfolge sind erkennbar, auch wenn die NADA noch kein indirektes Nachweisverfahren geführt hat. „Wir sammeln erst seit 2007 Werte, die in unser Modell einfließen“, erklärte Berninger: „Und immerhin haben diese Werte in zwei Fällen dazu beigetragen, dass weitere Kontrollen so genau gesetzt werden konnten, um direkte Nachweise zu erbringen.“

Foto: Rolf KoseckiViel Beachtung fand der Vortrag von Dopinganalytiker Prof. Wilhelm Schänzer. Der Leiter des Instituts für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule Köln berichtete über neue Analyseverfahren und versprach allen Dopingsündern unmissverständlich: „Wir sind den Dopern immer dichter auf den Fersen.“ Diese These begründet Schänzer mit neuartigen Nachweismethoden, die teilweise auch bereits für Gendoping und den in Mode gekommenen anabolen Wirkstoff SARMS im Einsatz sind. Wenig Positives konnte Schänzer dem jüngsten Vorschlag aus Datenschützer-Kreisen abgewinnen, wegen des Eingriffs in die Intimsphäre nur noch Blut zu nehmen und auf Urinkontrollen zu verzichten. „Die Mehrzahl der Substanzen lässt sich bisher nur im Urin nachweisen“, sagte der Dopinganalytiker: „Wenn wir nicht mehr auf Urin kontrollieren, können wir den Anti-Doping-Kampf einstellen.“

 Den Einsatz der NADA für mehr Chancengleichheit durch die Harmonisierung der jeweiligen nationalen Maßnahmen erläuterte Marlene Klein. Insbesondere hob die NADA-Abteilungsleiterin die Zusammenarbeit der deutschsprachigen Länder hervor. Ende November brachte die erste DACH-Konferenz der Dopingkontrolleure aus Österreich, der Schweiz und Deutschland wichtige Erkenntnisse auf dem Weg zu einer noch einheitlicheren Kontrollpraxis.

Die Fortentwicklung des Nationalen Dopingpräventionsplanes (NDPP) erläuterte Dietmar Hiersemann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der NADA. Der 2009 beschlossene NDPP bietet eine Rahmenkonzeption, mit deren Hilfe unter Federführung der NADA alle bundesweit vorhandenen Ressourcen aus der Dopingbekämpfung gebündelt werden. Als beispielhaft hob Hiersemann ein Projekt der Sportjugend (dsj) des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zur Bildung eines Referentenpools hervor. Hier werden Multiplikatoren (bisher 15) geschult, um die Thematik in tiefere Verbandsstrukturen zu tragen und die Aus- und Weiterbildungsreferenten der Verbände zu erreichen.

Ein dickes Lob hatte Steffi Nerius während der Abschlussdiskussion für die NADA parat. Die Speerwurf-Weltmeisterin erklärte, ihre Erfolge seien ohne die Arbeit der NADA nicht möglich gewesen. „Dafür möchte ich mich bei allen bedanken“, sagte Deutschlands Sportlerin des Jahres 2009, die ihre 1991 mit dem dritten Platz bei der Junioren-EM begonnene Leistungssport-Karriere im vergangenen Jahr beendet hatte: „Als ich angefangen habe, dachte ich, dass ich nie etwas gewinnen würde. Der Beginn der Kontrollen hat mir die Hoffnung gegeben. Sie haben mir den Spaß an meinem Sport zurückgegeben. Denn mein Ziel war es immer, sauber zu gewinnen.“

Foto: Rolf Kosecki
                                                                                                                   Foto: Rolf Kosecki

Workshop-Unterlagen:

Thesenpapier "Der Hase-und-Igel-Wettlauf - ein Mythos" Prof. Dr. Wilhelm Schänzer, Leiter des Kölner Labors

Thesenpapier: "Der indirekte Nachweis: Stumpfes oder scharfes Schwert im Anti-Doping-Kampf?" Anja Berninger, Kommissarische Geschäftsführerin der NADA

Thesenpapier: "Internationale Chancengleichheit. Was tut die NADA für die sauberen Athleten? Mit welchem Ergebnis?" Marlene Klein, Abteilungsleiterin Medizin und Forschung/ Internationale Kooperation

Thesenpapier: "Nationaler Dopingpräventionsplan. Ein neuer Weg für bessere Koordination und mehr Effizienz der Präventionsaktivitäten" Dietmar Hiersemann, NADA-Vorstand Prävention